Die Totgeglaubte

Vor vielen Jahren kaufte ich mir ein kleines Moosrosen-Stöckchen. Ich pflanzte es in einen großen Blumenkübel zusammen mit ein paar anderen Pflanzen, mit Frauenmantel und einem Ziergras. Aber nach dem ersten Jahr zeigte sie nur noch Blätter und auch in den kommenden Jahren wollte sie nicht mehr blühen. Der Frauenmantel ging auch ein und das Ziergras wurde größer und größer, so dass ich das Rosenstöckchen vergaß. Im Frühjahr beschloss ich dem Ziergras einen größeren Topf zu gönnen und topfte es um. Dabei fand ich mittendrin das blätterlose Rosenstöckchen wieder. Weil ich nie etwas einfach so aufgebe, pflanzte ich es in einen eigenen kleinen Topf und schon kurze Zeit später zeigte es neue Triebspitzen. Und jetzt hat es eine wunderschöne Blüte, die auch noch duftet. Eine zweite Blütenknospe steht kurz davor auch aufzublühen. Die Natur hat einen unglaublich starken Lebenswiillen und wenn sie die richtigen Bedingungen für ihr Wachstum vorfindet, ist sie fast unkaputtbar. Ich vermute das Ziergras hat zu viel Nährstoffe und Raum gebraucht, so dass das Röschen nicht genug von allem bekam, aber gestorben ist es dennoch nicht, der Lebensfunke hat mit dem Minimum überlebt.

Geht es uns nicht manchmal ähnlich, dass wir unter widrigen Umständen zwar überleben, aber dann doch nicht blühen können? Dass wir uns durch zu wenig Nährstoffe - soziale Zuwendung, zu wenig finanzielle Ressourcen, eingeschränkte Bewegungsfreiheit - nicht optimal entwickeln können ... Während wir beweglich sind, ist es die Pflanze nicht, wir können uns einen neuen, besseren Platz suchen oder schaffen für unser Gedeihen, was wir dazu brauchen ist Mut. Ich glaube diesen Mut haben wir grade bitter nötig, um zu verhindern, dass wir nicht am Ende unter staatlicher Zwangsfürsorge ersticken.