Äpfel locken

Veröffentlicht auf von Szintilla

Äpfel locken
Vom schlafenden Apfel

 

Im Baum, im grünen Bettchen,
hoch oben sich ein Apfel wiegt,
der hat so rote Bäckchen,
man sieht, daß er im Schlafe liegt.

Ein Kind steht unterm Baume,
das schaut und schaut und ruft hinauf:
"Ach, Apfel, komm herunter!
Hör endlich doch mit Schlafen auf!"

Es hat ihn so gebeten,-
glaubt ihr, er wäre aufgewacht?
Er rührt sich nicht im Bette,
sieht aus, als ob im Schlaf er lacht.

Da kommt die liebe Sonne
am Himmel hoch daherspaziert.
"Ach Sonne, liebe Sonne,
mach du, dass sich der Apfel rührt!"

Die Sonne spricht: "Warum nicht?"
und wirft ihm Strahlen ins Gesicht,
küsst ihn dazu so freundlich;
der Apfel aber rührt sich nicht.

Nun schau! Da kommt ein Vogel
und setzt sich auf den Baum hinauf.
"Ei, Vogel, du mußt singen,
gewiß, gewiß, das weckt ihn auf!"

Der Vogel wetzt den Schnabel
und singt ein Lied so wundernett.
Und singt aus voller Kehle;
der Apfel rührt sich nicht im Bett.

Und wer kam nun gegangen?
Es war der Wind, den kenn ich schon,
Der küsst nicht und der singt nicht,
der pfeift aus einem andern Ton.

Er stemmt in beide Seiten
die Arme, bläst die Backen auf
und bläst und bläst; und richtig,
der Apfel wacht erschrocken auf.

Und springt vom Baum herunter
grad in die Schürze von dem Kind;
das hebt ihn auf und freut sich
und ruft: "Ich danke schön, Herr Wind!"

 

Robert Reinick dt. Maler und Dichter

(22.021805 - 07.02.1852)

Äpfel locken

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Q
Im Text, den ich noch aus unserem Schullesebuch kenne, ist die ganze Wertschätzung für den Apfel drin und wird von deinem hübschen Apfelbäumchen aufs Schönste unterstrichen.<br /> Herzlichen Gruss,<br /> Brigitte
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S
Danke schön. Der Text sagt alles aus, stimmt. Ich fand ihn zufällig im Netz.<br /> <br /> Herzliche Grüße, <br /> Szintilla