Seltsame Krippenbewohner

Veröffentlicht auf von Szintilla

 


                                                      Seltsame Krippenbewohner


Inzwischen ist es lange, lange Jahre her, doch in diesem Jahr ist eine kleine Weihnachtsgeschichte ganz besonders lebendig in mir. Sie lässt mich im Nachhinein immer noch schmunzeln.

Mein Opa war ein begeisterter Hobbybastler und so war er auch jedes Jahr für die Krippe zuständig, die traditionell im Wohnzimmer unter dem Tannenbaum zu stehen hatte. Er hatte sie selbst gebaut und zelebrierte ihren Aufbau alljährlich mit akribischer Sorgfalt. Als ich vier Jahre alt war, nahm er mich das erstemal mit in den Wald, um Material zu sammeln, das er für den Aufbau verwenden wollte, Rindenstücke, Tannenzapfen, Moos und allerhand Zweige. So machten wir das drei Jahre lang, ein schönes Ritual, dass wir beide liebten. Immer wenn ich in der Adventszeit bei den Großeltern zu Besuch war, und das war ich damals fast täglich, durfte ich bis Weihnachten ein kleines Teil zur Krippe dazulegen, zum Beispiel einen Tannenzapfen oder was immer mir einfiel. Außerdem gab es 24 Schafe und eines kam jeden Tag zur Herde dazu, wenn alle Schafe um die Krippe herumstanden wusste ich - jetzt ist es Weihnachten. Das war damals mein Adventskalender.


Dann kam das Jahr indem mein Opa starb und meine Oma sich strikt weigerte die Krippe aufzustellen. Sie wollte mit diesem Ritual brechen, vermutlich war es zu schmerzhaft für sie und so blieb die Krippe im Karton im Keller und nichts konnte sie veranlassen sie auszupacken und aufzustellen. Ich war gerade sechs Jahre alt und verstand nicht warum die Krippe nicht aufgebaut wurde. Ein Weihnachten ohne Krippe unterm Baum war für mich aber kein richtiges Weihnachten, deshalb baute ich die Krippe, mit allem was mir dazu tauglich erschien, unter dem Tannenbaum selbst auf. Davon konnte mich nichts und niemand abhalten, ich hatte schon damals ein wenig was vom dickköpfigen Eigensinn meiner Großmutter, der mir auch bis heute gebieben ist.


Ein großer, auf die Seite gelegter, Fußschemel mit einer Tischdecke darüber wurde kurzerhand zum Stall umfunktioniert, eine alte Zigarrenkiste zum Lager für das Christkind. Sie war für meine kleinste Babypuppe hervorragend geeignet. Damals gab es noch Trinkhalme aus echtem Stroh, die eigneten sich hervorragend als Polstermaterial für die vermeintliche Krippe. Das Gretchen und der Kasper aus dem Puppentheater wurden mit Papier ausgestopft und mutierten zu Maria und Josef und zwei Steifftier Lämmchen und ein Esel verkörperte Ochs und Esel. Dass das Christkind um einiges größer war als die anderen Akteure war nebensächlich und nicht von Bedeutung. Alle anderen Plüschtiere die ich besaß wurden zu Schafen ernannt, es gab Fuchsschafe, Löwenschafe, Mausschafe , Eulenschafe und und und. Ich hatte schon damals eine große Sammlung unterschiedlichster Steifftiere. Sie alle zusammen nahmen einen erheblichen Raum unter dem Tannenbaum ein. Es war die größte Krippe die wir jemals besaßen. Die Heiligen Drei Könige wurden ebenfalls vom Ensemble des Kaspertheaters gestellt, als da waren der König, der Räuber und der Teufel und sie zogen natürlich mit dem Krokodil zum Stall, so etwas exotisches wie ein Kamel konnte ich nirgendwo auftreiben. Dekoriert hatte ich alles so gut ich konnte mit trockenen Blättern und was ich sonst so auf dem Weg zu meiner Oma in der Natur fand. Steine, Zweige, Tannenzapfen, es gab fast nichts das ich nicht hätte gebrauchen können. Es war in dem Jahr ein seltsamer Anblick unterm Tannenbaum, aber es gab die Krippe die ich immer so liebte und die für mich zu Weihnachten dazugehörte. Weihnachten, mein Opa und die Krippe waren für mich eine untrennbare Einheit.


Im darauffolgenden Jahr trennte sich meine Großmutter von der Krippe und schenkte sie mir. Ich konnte die Tradition im Sinne meines Opas bei meinen Eltern zu Hause noch viele Jahre weiterführen. Leider hat die Krippe die Zeit nicht überlebt und kam bei einem Umzug irgendwie 'unter die Räder'.


Als ich eigene Kinder hatte schenkte mein Schwiegervater uns eine große selbstgebaute Krippe und solange meine Kinder klein waren, wurde diese Krippe immer zum ersten Advent leer aufgestellte und füllte sich im Laufe der Adventszeit mit den dazugehörigen Figuren. Selbst die Heilgen Drei Könige begaben sich ab Weihnachten in einer ganz anderen Ecke der Wohnung auf die lange Wanderschaft und rückten jeden Tag, der mit einem Teelicht als Station in der Wohnung symbolisiert wurde, ein wenig näher an die Krippe heran.

Geblieben sind mir bis heute ein paar uralte Figuren, einige altersschwache dreibeinige Schafe, ein Zieh-Brunnen und ein kleiner blaugewandeter italienischer Weihnachtsengel dem man die vergangenen Jahre inzwischen auch deutlich ansieht. Jedes Jahr im Dezember, wenn es ans Auspacken und Aufstellen dieser Dinge geht, kommen die Erinnerungen an ein kleines stures, dickköpfiges Mädchen, das auf das geliebtes Weihnachts-Ritual bestand und am Ende dabei erfolgreich war.

 



So manches ist zu erreichen, wenn man etwas wirklich will und alles dazu tut, um Wünsche zu realisieren, auch wenn manchmal Notlösungen gefunden oder Provisorien gelebt werden müssen. Warum ausgerechnet in diesem Jahr diese Geschichte so lebendig in mir ist, mag ich nicht sagen, vielleicht weil es in diesmal aus Platzmangel keine Krippe gibt die ich aufstellen werde. Es fehlt mir vermutlich ein kleines Stück Tradition, ein lieb gewordenes Ritual mit hohem Erinnerungsfaktor, vielleicht finde ich ja doch noch ein Eckchen...

Veröffentlicht in mitt-ich

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