Die Zeit - eine ungewöhnliche Betrachtung
Die Zeit ist ein Phänomen, dass mir immer wieder zu denken gibt. Dem Einen fehlt sie, der Andere hat zu viel davon, Einer schlägt sie tot, der Andere rennt ihr hinterher, den Jungen verfliegt sie und den Alten läuft sie davon und einige verschenken sie. Mal ist sie uns Freund, mal ist sie uns Feind.
Wir schreiben und reden über die Zeit als wäre sie produzierbar, als wäre sie ein Produkt, eine Ware die sich beliebig beschaffen lässt. Und doch hat jeder von am Tag 24 Stunden zur Verfügung. Ob Manager, Schüler, Hausfrau, Reinigungskraft oder Konzernchef jeder beginnt den Tag mit demselben Zeitkonto.Keine Minute mehr oder weniger, abgesehen von viel und Langstreckenfliegern, die lasse ich mal außen vor.
Warum bedrückt uns Zeit einmal und ein anderes mal verschwenden wir sie, als könnten wir sie kistenweise aus dem Keller holen, wenn wir Nachschub brauchen.
Sie ist relativ.
Was heißt nun relativ? Ein Beispiel: Ein Haar auf dem Kopf ist relativ wenig, ein Haar in der Suppe ist relativ viel. Also ist Zeit eine Frage der Betrachtungsweise, sie ist ein Seelenempfinden. Sie passt sich an, klopft unsere Gefühle ab und streift ihr passendes Kleid dazu über. Ist die Seele dunkel und trüb, streift sich die Zeit ihr Trauerkleid über. Sie schleicht dahin mit schleppenden Schritten und scheint kaum von der Stelle zu kommen. Ist die Seele gehetzt, weil sie den Anforderungen nicht hinterher kommt, trägt die Zeit Laufschuhe und eine Startnummer auf dem Rücken, sie braust über die Bahn, um rechtzeitig anzukommen. Wir jagen ihr hinterher, um sie wieder einzuholen.
So kann es sein, dass wir klirrenden Frost gar nicht wahrnehmen und dass es dennoch eine Stunde Glück schneit und in einer anderen Stunde, an der heimelig warmen Heizung, kann die Stunde Endzeitstimmung verbreiten und uns glauben machen, sie würde stillstehen, nur um uns zu quälen.
Zeit ist ein Phänomen der Umstände, der Umgebung, der Gesellschaft. Zeit ist eine Empfindung und eine Erfindung der Seele, um ein äußeres Zeichen des Wohlbefinden zu geben.
Wenn mit unserer Zeit etwas nicht stimmt, stimmt etwas an unseren Umständen nicht. Wir sollten hinsehen, an ein paar kleinen oder größeren Schräubchen unseres Lebens drehen, bevor wir am Rad drehen und wir sollten die Zeit mit unserer Seele synchronisieren.
Gestern habe ich das eine Weile geschafft, die Zeit und mich in Einklang zu bringen.