Nächtliches Vergnügen...

Veröffentlicht auf von Szintilla


...oder fast wie "Schlaflos in Seattle", nur dass ich nicht mit einem Radiomoderator telefoniere...,
vielleicht sollte ich noch  Die Nacht ist ja noch nicht um...


Seit Wochen hatte der Sohnemann ein Ticket für einen Konzertbesuch in Essen. Die Frage nach dem: "Wie komme ich hin und wieder retour?", war lange im Voraus geklärt, ich hatte mich bereit erklärt bis zum Bahnhof und später vom Bahnhof retour die Chauffeuse zu spielen. Alles kein Problem. Nach dem Konzert war die Ankunft am Heimat-Bahnhof für ca. Mitternacht geplant. Also durchaus im Bereich des machbaren... , aber bei meiner Zusage vor ein paar Tagen wusste ich auch noch nicht, dass ich ausgerechnet zu dieser Zeit zu einem Bazillenmutterschiff mutieren würde. Seit einigen Tagen plagen mich einige mikroskopisch kleine, aber heftige Quälgeister die mich fast gänzlich lahmlegten. Da Krankheit ohnehin nur zwischen den Verpflichtungen stattfinden kann und an ein paar Tage feste Bettruhe überhaupt nicht zu denken ist, dauert alles ein wenig länger als üblich und ich krebse mich mehr im Rückwärtsgang als vorwärts durch meine Tage. Zu allem Überfluss erfuhr ich nun gestern morgen, nachdem sich die Jugendlichen nochmal telefonisch kurzschlossen, dass sie noch nicht definitiv wüssten wann und mit welchem Zug sie retour kämen, denn sie müssten gemeinsam nach Hause fahren, weil sie ein 5-er Sparticket der Deutschen Bahn nutzten. Super - auf Nachfrage was das denn im Endeffekt für mich bedeutete, hieß es dann so ganz lapidar: "Spätestens um drei Uhr nachts müssen wir am Heimat-Bahnhof sein, denn länger gilt das Ticket nicht." Das HB-Männchen ließ grüßen, ich hätte ihm Konkurrenz gemacht, gäbe es das noch.


Da ich die Clique schon längere Zeit kenne, wusste ich das sie wohl kaum eine Minute eher am Bahnhof sein würden. Aber Versprechen ist Versprechen und wenn ich sicher sein wollte, dass sie heil zu Hause ankommen würden, würde ich wohl oder übel fahren müssen. ...obwohl mein Protest und mein Unmut zur Folge hatte das der Sohnemann sich bereit erklärte mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren zu wollen. 17km, davon mindestens 10 km über unbeleuchtete Landstraße oder Wirtschaftswege, nachts um drei, bei minus vier Grad und Glatteis mit dem Fahrrad retour....  und seine Ex-Freundin und deren Eltern, die sich auf meine Zusage zu fahren verließen, wäre von meiner Fahrverweigerung auch beeinflusst worden. Da sagt natürlich jede Mutter knallhart: "Okay, dann fahr du doch mit dem Fahrrad...!" Hab ich natürlich nicht gemacht und mich in mein Schicksal ergeben.

So hab ich mich die halbe Nacht durchs Fernsehprogamm gezappt, alle fünf Minuten auf die Uhr geguckt, nur um festzustellen das wieder nur 5 Minuten vergangen sind. So endlos kam mir Zeit schon lang nicht mehr vor. Von dem was ich da im TV sah, hab ich so wirklich nichts mitbekommen, außer die ständigen Werbespots mit den netten Mädchen die da fordern: "Ruf mich an..."  Bei den Filmen fehlt überall der Zusammenhang oder ich verdöste das Ende oder den Anfang. Ich stand, saß, hing so richtig neben mir und hatte das Gefühl ich würde mich selbst beobachten können. Wach wurde ich schlagartig, als mich endlich das Handy aus der Döserei riss und ein überdrehter aufgekratzter Sohn fröhlich verkündete:"Kannst jetzt losfahren, wir sind in einer Viertelstunde am Bahnhof." Zu Befehl...

Also los, rein in die rote Livree mit Goldtressen, Schirmkäppi auf und und raus aus dem Haus und dann... Eiskratzen an der Stretchlimo. War das kalt... Bibber, schlotter... Na jedenfalls war ich danach hellwach und meine Bazillen waren dermaßen geschockt (ich hab sie wohl gelähmt oder eingefroren), vielleicht war es auch der hohe Adrenalinspiegel der sie zurück drängte, das es mir richtig gut ging. Ich fühlte mich gedopt...,


Was mich faszinierte war der Mond und wofür sich der nächtliche Gang vor die Tür lohnte war der Mond. Riesengroß und sattgelb hing er wie eine Laterne am klaren Winterhimmel. Den hätte ich nicht gesehen, hätte ich nicht vor die Tür gemusst - man soll ja immer das Positive sehen...

So kurvte ich vorsichtig über eisglatte einsame, menschenleere Straßen, um die Meute wieder einzusammeln. Als wir dann endlich wieder zu Hause waren, war ich hellwach, durchgefroren und angefüllt und zugedröhnt mit den übersprudelnden Erzählungen vom supertollen Heavy Metal Konzert, den Hindernissen die es gab um reinzukommen, das dreimalige Schlange stehen..., wie supertoll die Bands waren und die Leute und überhaupt...und wie "geil" das doch alles war... und das man das bald wiederholen müsse.... , aber bitte ohne mich...

Aber es steckt schon ein wenig an diese Lebensfreude und die Energie die da in den jungen Leuten wohnt. Jung müsste man nochmal sein, dann würde man das auch locker wegstecken. Und so verflog dann der Frust und der Unmut der mich so manches mal packt, wenn ich vor solchen Herausforderungen ganz allein stehe und das, wie auch immer, irgendwie bewältigen muss, wenn ich nicht gleich immer alles mit: "Nein, das geht nicht!" abwürgen will. Schließlich war ich auch mal jung, wann war das noch???

Der Sohnemann verabschiedet sich dann ins Bett, denn er muss um elf Uhr schon wieder in der Musikschule sein und vorspielen, denn dort findet heute das Preisträgerkonzert statt.(Alle Gewinner vom letzten Wettbewerb präsentieren sich innerhalb eines großen gemeinsamen Konzertes.)

Wer mag ihn da wohl nur hinfahren? Gut das er schlafen kann, ich kann es nicht mehr. Also hab ich das jetzt hier mal getippselt, setz mich jetzt mit einem Kaffee (um den Rest der Nacht durchzuhalten) wieder vor den Flimmerkasten. Ich freu mich schon jetzt auf das Frühstück und die ofenwarmen Brötchen ( am liebsten würde ich die jetzt schon in den Ofen stecken, was aber mindestens drei Stunden zu früh wäre) und warte drauf das irgendwann im Laufe des vormittags ein gutgelaunter Sohn durch die Wohnung schlurft, ausgeschlafen, fit und sich des Lebens und auf sein Konzert freut...

Ich fahre ihn dann später in die Musikschule, überlege noch ob ich dort bleibe und mir das komplette Konzert anhöre (würde ich wirklich gern tun), aber vermutlich würde ich es nur mit meinen Hustenarien aufwerten, also ist es wahrscheinlicher das ich zwischenzeitlich nach Hause fahre, mich schlafen lege und auf den Anruf warte: "Kannst jetzt losfahren, wir sind in einer halben Stunde fertig!"

Das ist der ganz normale Wahnsinn, einer alleinerziehenden Mutter, die mit ihren Söhnen auf dem Land wohnt und somit von allen Annehmlichkeiten der Zivilisation (wie z.B. dem öffentlichen Nahverkehr, einer funktionierenden DSL-Leitung, eines gesicherten stabilen Handynetzes, Infrastruktur mit Bäckerei oder wenigstens einem Kiosk  weitgehend verschont bleibt...

Der Vorteil ist - jede bewältigte Herausforderung gibt 10 Punkte auf dem Selbstwertkonto und eines Tages wird mir hoffentlich mal jemand auf die Schulter klopfen...

Veröffentlicht in Allerlei

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S
Auf die Schulter würde ich dir heute schon klopfen, das ist eine reife Leistung, die du da erbracht hast mit deiner Krankheit... nicht selbst verständlich... Genial einfach, Chapeau, liebe Grüsse, Sichtwiese
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S
<br /> <br /> Lieben Dank für den Schulterklopfer. Endlich mal jemand der auf mein "Gejammer" reagiert. *mbg*  Ich schlafwandel nur noch, hab den Sohnemann auch gerade nur abgesetzt und bin wieder nach<br /> Hause gefahren, also steh ich wieder auf Abruf bereit. Dafür kann mir aber jetzt die Kuscheldecke und einen Tee gönnen. Und sonst ist heute "Frei-tag", ich werde nichts tun dass ich nicht<br /> unbedingt muss und heute Abend schnell i der Falle verschwunden sein...<br /> Ich wünsch dir eine schönen Sonntag mit deinen Lieben, knuddel Szintilla<br /> <br /> <br /> <br />