Die Tücke des Objekts

Veröffentlicht auf von Szintilla

... oder Aufstand der Gartenmöbel

 

"Jetzt reichts mir", dachte er als er sie kommen sah. Er war sauer und genervt. Wer steht schon gerne jahrelang bei Wind und Wetter draußen, nur um bei Bedarf sofort verfügbar zu sein. "Du wirst dich wundern, ich lass es krachen heute", schwor er. Vor lauter Vorfreude bogen sich seine Beine leicht, als sie ihn zurecht rückte.

Sie merkte nichts von seinen heimtückischen Absichten und vertraute ihm wie jedes Mal, wenn die Sonne verlockend auf die Terrasse schien. Als er sie spürte grummelte er leicht knatschig: "Du hast mich lange genug besessen!" und wippte ein wenig, als sie ihre Position veränderte um es sich bequem zu machen. Reglos verharrte sie und betrachtete versonnen die weißen Wolken, die sich malerisch über den blauen Himmel schoben, nichts ahnend von dem Unheil, das sich unter ihr zusammenbraute. Während sie ihren Gedanken nachhing, lief, von ihr immer noch unbemerkt, der suizidale Countdown des Plastikwesens. Plötzlich krachte es gewaltig. Er ging nicht leise von dieser Welt sondern mit lautem Getöse und sie fand sich ruckartig einen halben Meter tiefer sitzend. Mühsam rappelte sie sich auf und betrachte die Einzelteile zu ihren Füßen. "Nun ja, tiefer gelegt ist in!" grinste sie und fragte das Stuhlbein, das sie aufhob und in der Hand hielt: "Hättest du mich nicht vorwarnen können?" Es schwieg beharrlich und weigerte sich auch nur einen Mucks von sich zu geben.

Da lag er nun, seltsam verbogen. Bizarr baumelte ein Beinstumpf in der Luft. Ein winkendes Mahnmal der Ausbeuterei, hatte sie ihn doch nur beachtet, um sich auf ihm die Stunden zu versüßen. Jahrelang war er hin und her gerückt worden, mal hierhin, mal dorthin, bis er total verrückt war. Mehr oder weniger heftig war er gerückt, bedrückt und besessen worden. Doch nun war es genug. Er hatte seine Belastungsgrenze erreicht. Diesen Sommer, falls er noch käme, sollte sie ihn nicht mehr quälen, das hatte er erfolgreich verhindert. Sollte sie doch sehen wie sie von jetzt an ohne ihn zurecht kam.

 

suizidaler-Stuhl.jpg

 

Offensichtlich litt der Gute an Selbstüberschätzung, wusste er doch nichts von der Massenware, die nur darauf wartete ihn zu ersetzen. Bald ist Sommerschlussverkauf in den Gartenmöbel-Centern, dort wird dann ein neues Plastikwesen aus der Anonymität der Masse befreit werden, um sein bedrückendes Schicksal auf der Terrasse antreten.

 

  

 

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Veröffentlicht in Wortwolken

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K
Ja,ja, das kenne ich auch, gemein diese Gartenmöbel und weißt wer der Gemeinste dieser Bande ist, der Rädelsführer? Der Liegestuhl, zumindest bei mir. Ein voll subversives Objekt.<br /> Danke für das Schmunzeln, das dein Artikel mir bescherte, obwohl ich gerade in stressiger Eile bin. Er kam genau richtig.<br /> Ganz liebe Grüße<br /> Klausbernd
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S
<br /> <br /> Stimmt, der Liegestuhl ist der Gemeinste. Meiner gehörte ja auch zu dieser Gattung "Relaxsessel". Sie sollten sich was schämen, so hinterhältig zu sein. Das ist nicht die feine "englische"<br /> Art, seinen Dienst aufzukündigen. *bg*<br /> <br /> <br /> Fein, dass dich das Schmunzeln trotz der Eile erreichte.<br /> <br /> <br /> Liebe Grüße aus den momentanen Pseudotropen, Szintilla<br /> <br /> <br /> <br />
G
Erst war ich bestürzt,<br /> wie konnte ER dich so erniedrigen!<br /> Doch mit Humor gewürzt<br /> trotzt du den Umständen den widrigen;-)<br /> <br /> Vielleicht darf das Nachfolgeobjekt ja auch etwas hölzern daher kommen, Hauptsache du kannst dich stets wieder erheben im Leben :-))
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S
<br /> <br />  <br /> <br /> <br /> Das frag ich mich auch wie er mich so erniedrigen konnte.<br /> <br /> <br /> Ging scheinbar einfach, nur mit einem gewaltigen Krawumm. <br /> <br /> <br /> Herrlich, danke für die so passenden Verse. <br /> <br /> <br /> Sich immer wieder erheben,<br /> <br /> <br /> das ist die Kunst im Leben,<br /> <br /> <br /> mir hat der Stuhl die Chance gegeben.  <br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> Liebe Grüße zu dir, Szintilla<br /> <br /> <br /> <br />
B
Da wäre ich ja wahnsinnig gerne Zeugin gewesen! Schade, dass man das vorher kaum weiß, sonst könnte man es doch filmen.<br /> <br /> Hast gleich eine tolle Geschichte daraus gemacht!<br /> <br /> Lieben Gruß, Brigitte
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S
<br /> <br /> Du hättest dich vermutlich gekugelt vor lachen. <br /> <br /> <br /> Wäre ich jetzt in Amerika würde ich glatt versuchen die Firma auf Schmerzensgeld zu verklagen. *mbg*<br /> <br /> <br /> Danke schön, wenn schon auf den Allerwertesten plumpsen, dann wenigstens mit Humor. <br /> <br /> <br /> Liebe Grüße, Szintilla<br /> <br /> <br /> <br />