Übergiffigkeiten
Manchmal hacke ich innerlich Holz, um mich wieder zu erden, denn gelegentlich bringen mich gut gemeinte Übergriffigkeiten auf die Palme. Es gibt Menschen, die schießen mit ihrem Helfersyndrom über das Ziel hinaus.
Seit dem Herbst sammle ich Äste und Zweige einer bestimmten Dicke und Biegsamkeit, um sie für ein kreatives Projekt im Garten zu verwenden und dann ziehe ich eines morgens die Rollläden auf und futsch ist mein kleiner sorgfältig angesammelter Reisighaufen. Fein säuberlich jedes Ästchen aufgesammelt und weggezaubert.
Später am Tag gab es die Aufklärung eines hilfreichen Nachbarn: "In der Biotonne war noch Platz und ich dachte, ich räume das schnell mit rein, dann ist es weg."
JA, jetzt ist das Reisighäufchen weg, aber damit nicht genug. Ich erklärte sehr beherrscht und äußerlich ruhig, wozu die Äste dienen sollten und das ich darum bitte solche Übergriffigkeiten zu unterlassen. Am nächsten Morgen wieder die Rollläden hoch und der Reisighaufen ist wieder da. Nur sind es diesmal Äste von Dicke und Stärke, die dem Zweck, zu dem sie dienen sollten, in keiner Weise entsprechen.
Jetzt darf ich mir überlegen, wie ich die Äste entsorge oder was ich damit anfange. Vielleicht wird mein nächstes Projekt nun ein Scheiterhaufen, auf (in) dem ich meine leicht hochkochende Wut verbrennen kann. Allerdings wird sie, bis ich den Reisighaufen aufgeschichtet habe, längst verraucht sein, denn ich weiß, eigentlich waren beide Aktionen gut gemeint, nur finde ich, dass sie übergriffig waren.
Die nächste Überlegung, die sich für mich daran anschließt:
Was hat diese Wut mit mir zu tun? Warum machte mir diese Aktion so viel aus? Warum macht sie etwas mit mir? Warum bringt mich diese Übergriffigkeit so auf die Palme, obwohl ich weiß es geschah nicht in böser Absicht?
Es machte etwas mit meiner Selbstbestimmung. Es beschnitt meine Freiheit selbst über etwas zu entscheiden (selbst wenn es um so etwas Belangloses wie ein paar Äste geht) und darauf reagiere ich absolut allergisch. Es gilt für mich immer noch etwas zu lernen in Sachen Akzeptanz und Annahme von Unabänderlichem. Es ist noch ein langes Stück des Weges bis zur absolut gelassenen Gleichmut. Es hat mir aber auch gezeigt, dass der Weg von der Palmkrone nach unten deutlich schneller gelingt als noch vor Jahren. Also doch schon was gelernt.