Reiselust (-igkeiten)
Meiner einer , die ich so reiselustig bin wie ein Faultier Marathons läuft, ließ mich am Sonntag dazu hinreißen, statt der Autobahn die Gleise zu nehmen. Vom östlichen Rand des Ruhrgebiets mitten hinein in die Ruhrmetropole Essen. Fast zwei Jahrzehnte ist es her, dass ich dort war. Früher gehörte der Bummel in der Essener Innenstadt immer wieder einmal zu den üblichen Gepflogenheiten, besonders zum Weihnachtsmarkt zog es uns dorthin.
Das Einzige, dass ich sicher wiedererkannte, war der Bahnhofsausgang in Richtung Essener Innenstadt. Kaum zu glauben, was sich in all den Jahren verändert hat. Selbst das Zugfahren ist nicht mehr das was es einmal war. Erinnerte ich mich doch wehmütig an das gleichmäßige monotone Geruckel beim Überfahren der einzelnen Gleisabschnitte, so surrte der Zug leise und fast ohne Geruckel dahin. Der viele Platz, der früher selbst zwischen den Sitzen der zweiten Klasse zu finden war ist verschwunden. Statt dessen quetscht Männlein und Weiblein sich brav in dicht hintereinander stehende Zweisitzreihen über die so mancher hinüberquillt. Nur hin und wieder werden die Sitzreihen von zwei sich gegenüberliegenden Zweiersitzreihen unterbrochen. Natürlich waren diese vier Sitze meistens belegt, oft von zwei Personen plus Gepäck.
Wurden wir auf der Hinfahrt von einem Akkordeonspieler, der zwei Kinder mit Bechern in denen Münzgeld klimperte vorneweg schickte und uns mit mit dem Hinweis: "Alles für Kinder für Essen und Trinken!" um eine Spende, mit dem Ententanz in schlecht beglückt (hätte er ihn doch wenigstens vernünftig spielen können), so durften wir auf der Rückfahrt einem Interviewer der DB lauschen.
Wir hatten die Frage nach einem Interview, das laut seiner Aussage überhaupt nicht weh tue und sehr schnell gehe freundlich abgelehnt, andere ließen sich befragen. Hätten sie geahnt, dass es nicht bei der Befragung blieb, hätten sie es sich bestimmt noch einmal überlegt. Der freundliche Herr, der im Auftrage der Bahn eine Befragung über das Wohin und Woher und das Warum und Wie-lange durchführte, war nämlich durchaus auch an anderem interessiert. "Ach, wo kommen sie denn ursprünglich her? Sind sie noch in den Zwanzigern? Wie war es denn dort so? Und machen sie öfter soche Fahrten? Ach, wissen Sie, das Fliegen ist doch gar nicht umweltfreundlich und da hatte ich doch mal folgendes Erlebnis ..., Nein, nein dieser Garderobenhaken ist noch wunderbar, da müssten sie mal den Garderobenhaken der Baureihe xy sehen, der taugt nur für leichte Sommerjacken, versuchen sie da mal einen nassen Wintermantel anzuhängen ...!"
Wir lernten: Fliegen ist schädlicher für die Umwelt als Bahnfahren und diverse Garderobenhaken der Bahn stellen ein Problöem dar. So mancher befragte Fahrgast rollte genervt mit den Augen. Wir amüsierten uns und waren froh, das freundliche Befragungsangebot nicht angenommen zu haben. Unfreiwillig lauschten wir schließlich noch einem besonders fröhlich bierlaunigen Flensburger - wie wir auch aus dem Gespräch erfuhren -, der von seinen Wochenendtouren mit der Bahncard 50 durch ganz Deutschland erzählte, dass er in jedem gößeren Bahnhof, wo er ausstiege einem Becher Kaffee kaufe und die leeren Becher sammle. Hier lauschte ich allerdings überaus gerne, denn den nordeutschen Dialekt finde ich unwiderstehlich. Beide Zugfahrten waren überaus kurzweilig und (trotz der aufgezwungenen Belustigungen) entspannter als das Selber-autofahren.
Selbst figurfreundlicher ist eine Reise mit dem Zug. Das Trepp-auf und Treppabsteigen, das Überwinden etlicher Höhenmeter zum Gleis und vom Gleis herunter, hinunter zur U-Bahn und wieder hinauf an die Erdoberfläche und das anschließende mühsame Erklimmen des Dachgeschosses eines Wohnhauses bescherten uns insgesamt ca. 400 Stufen. Rein rechnerisch haben wir somit gestern den Leuchtturm Westerheversand bestiegen, nur die Aussicht aus dem Dachgeschoss war nicht so weitreichend. Sie wurde gebremst von Dächern, Funkantennen, Kaminen und Satellitenschüsseln.
Sportlich unterwegs waren wir also auch, denn die angebotenen Rolltreppen verschmähten wir, obwohl ich sie zugegebenermaßen gern benutzt hätte, aber diese Blöße wollte ich mir, mit dem Jungspund von Sohn, an meiner Seite nicht geben.
Auch die Fotoausbeute fiel eher bescheiden aus, bedingt durch S..wetter (Blitz, Donner und Prasselregen). Fasziniert war und bin ich immer noch von der farbwechselnden Lichtwand im Essener U-Bahnhof. Sie gehört zu den weltweit größten Lichtinstallationen (mit 144.000 LED Lämpchen) in U-Bahnhöfen. Dies und mehr darüber ist auf Lampenwelt.de nachzulesen.
Ein kleines youtube video über die Lichtwand habe ich auch im Netz gefunden.
Es hat sich die kleine Reise, unter Benutzung der Gleise (abgesehen von Hauptgrund), also durchaus gelohnt und als Fazit wäre festzuhalten: Es ist tatsächlich was dran, wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.